© Victor Freitas
Von Alice Blohmann | 24. Februar 2019
Von der Kunst, mehr zu leisten

Lernen, wie man persönliche Führungsherausforderungen meistert? Kein Ding, ein Führungskräftetraining macht’s möglich, sagen sie. Ein wirklich guter Anbieter von Führungskräftetrainings hat nämlich die tatsächlichen und vor allem wichtigsten Hürden bereits identifiziert, sagen sie. Und sie sagen auch, es sei deshalb gar nicht so schwer, die (immer gleichen) Probleme schnell und zielgerichtet zu lösen: Druck im Job steigt, die Lücken im Umgang damit sind klar erkannt, die dazugehörige Einstellung wird geändert und – ZACK! – stellt sich der Erfolg ein. Aha.

Höher, schneller, weiter

Viele, besonders auf möglichst sofortige Zielerreichung ausgerichtete, Seminare versprechen eine schnelle Lösung für die Probleme, die der momentan stattfindende digitale Wandel und die permanent steigenden Leistungserwartungen mit sich bringen. Die Antwort heißt: Selbstoptimierung, Achtsamkeit oder auch Prioritätenmanagement. Und schon klappt es auch mit mehr Leistung.
Oder anders: Führungskräfte sollen lernen, statt 25 Kilo Marschgepäck, künftig 40 Kilo zu schultern. Weil, so die Meinung, mit «Kommunikation für Führungskräfte», «Erfolgreiche Mitarbeiterführung» oder «Sozialkompetenz» das Kernproblem von Führungskräften nicht zu lösen sei. Welches Kernproblem? Kein Perpetuum Mobile zu sein? Schritt zu halten mit den gestiegenen Anforderungen? Den digitalen Wandel mit links zu nehmen? Nein, das ist unserer Überzeugung und Erfahrung nach weder das Hauptproblem, das Führungskräfte heutzutage haben, noch dessen Lösung.

Der Pferdefuß

Klar, jeder wäre gerne per Fingerschnipp, mit ein bisschen Selbstreflektion und Gruppendiskussion zur sofortigen Veränderung bereit. Die Sache jedoch hat einen Haken, nun eigentlich zwei. Erstens: Wenn mir mit meinem jetzigen Verhalten das nicht gelingt, was ich gerne möchte oder soll, muss ich mein Verhalten ändern. Eine Verhaltensänderung jedoch lässt sich niemals in der Theorie verändern. Uns jedenfalls ist niemand bekannt, der sich beispielsweise nach der Lektüre von Kochbüchern (mit anschließender Diskussion darüber, wie man diese Rezepte umsetzen könnte, welche Vorteile sich daraus ergäben und was einen in der Vergangenheit davon abgehalten hat, überhaupt zu kochen) in die Küche stellt und wirklich kochen kann. Wissen und verstehen ist das eine, tun das andere. Und jeder weiß, wie es ist, etwas Neues, etwas Anderes zu lernen. Man muss es fühlen und denken, man muss es machen, man muss es üben. So oft, bis es gelingt. So oft, bis es in den unterschiedlichsten Situationen reproduzierbar wird. Und irgendwann ein Fall für den Autopiloten.

Ich und die anderen

Und zum zweiten Haken: Jede Führungskraft lebt und agiert in einem System. Ein System mit nicht vorhersehbaren Akteuren, permanent stattfindender Interaktion und wechselseitigen Abhängigkeiten. Und genau deshalb ist wichtig, sich selbst, die eigenen Werte und Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Schwachstellen, Wünsche und Ziele zu kennen, um möglicherweise auf andere Ergebnisse zu kommen als zu lernen, noch mehr zu leisten. Know-how ist wichtig, keine Frage. Aber ohne Do-how wenig wert.

Artikel drucken

Artikel mailen

zurück zum Blog »